Francois Génot : Die Wegeränder

Der Maler und Bildhauer Francois Génot thematisiert in seinen Arbeiten Situationen einer flüchtigen Offenheit. Die scheinbar feste und endgültige Form, sowohl in der Malerei als auch in den bildnerischen Werken, ist immer in einem Werdungsprozess begriffen, der auch durch den Betrachter nur zum Teil vollendet werden kann. Das Potenzial des Unvollendet- Fragmentarischen wird von Génot auf formal unterschiedliche Weise und in inhaltlich unterschiedlichen Dimensionen ausgelotet.

Bei seinem Arbeitsaufenthalt in Saarbrücken beschäftigte sich Francois Génot mit der Ausarbeitung eines Projekts, das unauffällige Randerscheinungen von Natur und Welt ins Zentrum der Bildgestaltung rückt.
Basis der in Saarbrücken entstandenen Arbeiten sind Fotografien von vegetabilischen Situationen an Rändern von Wegen, Wucherungen an verfallenen Hauswänden, Eisenbahnschienen oder Baustellen – Nebensächlichkeiten, visuelle Fundstücke, die der Künstler im Medium der Malerei im großen Format aufnimmt und so in eine eigenständige gestalterische Wertigkeit überführt.

Neun große Leinwandarbeiten, die vordergründig chaotisch erscheinen, sind so entstanden. Das Suchen nach Struktur, die Zuordnung farbiger Akzente, vermittelt durch lineare Konstellationen, macht das Bestimmen motivischer Zentren zum Prozess in der Betrachtung. Zunächst als abstrahiert-gestische Formationen wahrgenommen, entfalten die Kompositionen Génots Anklänge an die vegetabilische Situation der fotografischen Vorlage. Jedoch sind die Malereien keine Kopien der Fotos, vielmehr scheint der Künstler seine Motive aus der Vorlage heraus frei zu entfalten, durch Auswahl zu konzentrieren, sodass sie sich zum eigenständig-autonomen Bild entwickeln, das auch jenseits des Naturvorbilds seine Gültigkeit erlangt. Die Wahrnehmung des Betrachters wird auf Aspekte gelenkt, die in der flüchtige Betrachtung der vorgegebenen Natursituation nicht aufscheinen.
Verlassenes, Unbeachtetes, Verwahrlostes, Schmuddeliges wird in seiner Dynamik erkannt und in seiner einzigartigen Kostbarkeit wie auch in seinem farbigen und formalen Reichtum akzentuiert dargestellt. Duktus und Farbauftrag sind jeweils verschieden, immer jedoch organisch und variationsreich, lebendig, so als finde ein Wachstum in den Bildern selbst noch statt.
Malerei als potenziell gestaltete Natur.

Neben der Fotografie nutzt Francois Génot auch das Medium der Zeichnung, um seine „Fundstücke“ zu dokumentieren. Beobachtungen werden in raschen Skizzen festgehalten und dienen als Inspiration und Erinnerung, als Anlass für die weitere künstlerische Arbeit. Insbesondere die Zeichnung in ihrer linearen Anlage nutzt der Künstler als Ausgangspunkt für seine bildhauerischen Arbeiten. So entstehen z. T. linear bestimmte Raumkompositionen von ausgreifenden Formaten, aber auch kleinere Situationen, deren offene Qualitäten eng mit der Arbeitsweise der Malerei korellieren.

Andreas Bayer, Katalogbeiträge, artmix 3, 2008

 

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